Wörter aus dem Hinterkopf....Gute Butter

Gute Butter hieß das damals, denn Butter ohne Adjektiv war ein Butterbrot. Machst du mir mal ein Butter, fragten wir Mutter, die dann schmierte, später sangen wir, meine Mutter schmiert die Butter immer an der Wand lang und erbosten diese damit. Gute Butter war ein Gut, ein Wert, eine Speise für besondere Tage, für Sonn-und Feiertage, die auf das Wochenende fielen, Weihnachtenosternpfingsten. Der Standardbestrich für alle Tage, für alltags eben, war Margarine, einfach auch Rama genannt, denn es gab keine Alternative, nur Rama als Würfel, und diese Rama schmeckte nicht besonders, vor allem wenn sie unter Marmelade auf dem Butterbrot klebte und dazu gezuckerter Muckefuck getrunken wurde. Muckefuck, das später irgendwie nach Gangsterrapper klang, der die Mutter seines Feindes sexuell belästigen wollte, Muckefuck, das sollte man lieber nicht englisch aussprechen, aber das kannten wir damals nicht, da waren die Beatles noch die Be-Atles, auch wenn ein Verdacht keimte, dass dieses Wort mit den im Radio angepriesenen Bietels identisch sein könnte.
Rama aber hatte sich trotz dieser schmierigen Konsistenz ins Gedächtnis gegraben, als die Margarine schlechthin, die Mutter aller Margarinen eben, die dann später von Florasoft abgelöst wurde, einem Pflanzenfett mit Wasser gepanscht, um die Streichfähigkeit auch aus damals auftauchenden, fast unerschwinglichen Kühlschränken heraus zu gewährleisten. Warum etwas, das mit Wasser gestreckt wurde, teurer war, als das Unverschnittene, blieb unbeantwortet. Rama, Rama schnarrten die Glatzköpfigen in orangefarbenen Kleidern, Hare, Hare, obwohl  sie doch keine Haare, bis auf einen kleinen und fusseligen Pferdeschwanz, am Kopf trugen, Hase Krishna, Rama, Rama, schnarrten sie monoton, in den Händen kleine Zimbeln, die sie zusammenpatschten und himmelsglückliche Töne erzeugten, die das Hierseits vergessen machen sollten.
Die Krishnaleute waren irgendwie auch Vorläufer der viel späteren Punks, deren Frisuren irokesenartig der Haartracht eines Wildpferdes ähnelte, in den Händen eine Flasche Bier  und ein stinkender Schäferhund neben sich.Die Zimbeln waren durch Ketten und durch die Gesichtsbacken gezogene Sicherheitsnadeln ersetzt, um dem Diesseits ein paar Mark abzutrotzen, ohne einen Finger krumm zu machen.
Das Gegenstück der Krishnaleute aber waren die Langhaarigen, die Gammler, die die Haare, die sogenannte Matte als Protest gegen den Krawattenmief der Erwachsenenwelt verstanden, und diese, um den Protest zu verstärken, möglichst naturbelassen wuchern ließen.
Wer jemals etwas hat wuchern lassen, wird sich sofort an Wucherungen erinnern, die der Facharzt gerne gegen Geld aus den Nasen zog. Die Frage sprang uns damals schon entgegen, warum jener Wucherungen ziehende Facharzt Hals-Nasen-Ohrenarzt hieß und nicht Hals-Nase-Ohrenarzt, denn jeder Mensch hat einen Hals, eine Nase und zwei Ohren? Oder aber Hälse-Nasen-Ohren-Arzt, weil er ja für die ganze Menschheit oder die Stadt zuständig war. Nicht auf alle Fragen hat das Leben eine Antwort. Das war die bittere Erkenntnis damals, und besonders die fehlenden Antworten sozialisierten uns. Die Butter aber wurde im Laufe der Zeit immer billiger, und das merkten wir, wenn es am Hintern juckte. Führte man die Hand an diesen Bereich, dann verlautete mindestens ein Erwachsener: Na, wir die Butter billiger? Und da konnten sie wohl in einem reichen Erfahrungsschatz bohren, der für jede unerwünschte Handbewegung die passende Bemerkung ausspuckte.

Nachdem sich die Butter zu einem riesigen Butterberg versammelt hatte, war ihr Niedergang bereits besiegelt. Wer sich nach oben schmiert, kann tief fallen, das wussten wir vom Hörensagen. Die Erfindung des Cholesterins war das Todesurteil des tierischen Fettes und der Abschied von leckerem Brotestrich. Böse Butter. Nie mehr gut. Selbst als Wandestrich war sie geächtet.