Georg Krakl - Ihr Sterne

John Steinbrech - Straße der Ölsardinendosen (2019)
Ihr Sterne!
Mag euch wohl, hab euch ganz gerne,
weil ihr Orientierung bietet in der Nacht,
weil ihr das Dunkle sicher macht.
Und dann (!) kann ich in fremdem Land euch auch am Himmel stehen
sehen
über Wüsten, Slums, Moscheen!
Nicht nur über uns, die Guten
hier mit BGB und Grundgesetz und Redefreiheit, Parlament.
Auch da, wo man in Plastikzelten pennt!
Ihr weist die Wege,
kennt nicht Völker, nennt nicht Namen,
die aus Not zusammenkamen.
Weist Menschen einfach Wege. Etwa nach Norden,
weg von Kriegen, weg vom Hungern, weg vom Morden.
Zeigt einen Weg, etwa zu uns in dieses Land,
das ich auch euretwegen sicher fand.
Ihr müsst doch diese bange Frage spüren:
Wohin soll das alles führen?

Ja- da habt ihr nichts zu sagen,
seid einfach still,
da können wir uns selber plagen
wenn jeder kommen kann, so wie er will.
So geht das nicht,
ihr dummes Licht!

Grenzenlos ist euer Himmelsstehen.
Ich will euch nicht im Ausland sehen!
Ihr seid die meinen, ich will euch nur Zuhause. Hier.
Ihr gehört doch mir.

Und dann die Sonne, auch ein Stern.
Eigentlich hab' ich den gern.
Die Sonne hat doch einen Knall!
Scheint überall!
Der Mond
scheint blass dazu, mit Sonnenhilfe, wie gewohnt.
Auch für die Schlechten
und die Rechten,
für die Rächer und die Ungerächten,
für die Täter und Verräter,
für die Schächer
und die Kriegsverbrecher.

Und alles blickt zum Himmel, strömt zu uns in unser Land, das ihr so sicher machtet.
Die Grenzen ignorierend,
und einfach so verschmierend,
als gäbe es nur eine Welt,
die ohne Grenzen nicht in Stücke fliegt, sondern zusammenhält.
Ihr Sterne! Wo ist euer stiller Blick, und wo die treue Wacht?
Das war doch einzig für uns ausgedacht!

Und jetzt die Menschen, ganze Scharen,
sind bald da, wo wir doch glücklich waren,
und es bleiben wollen.
Und jetzt zusammenrücken sollen.
Nicht schmollen.

Ihr Sonne, Mond und Stern, ach, wie ungehemmt,
scheint ihr uns euch Wohlbekannten und für Fremd!

Ich bin enttäuscht, ein wenig auch beleidigt,
dass ihr die Heimat nicht verteidigt.