Günter Krass: Neulich beim Herumschwimmen

Neulich, als ich so herumschwamm, steckte ich aus lauter Neugier den Kopf unter Wasser, und dort sah ich eine Frau in einem Bikini, die eine Elektrogitarre in den Händen hielt und darauf spielte.
Sie hatte den Kopf verzückt nach hinten und zur Seite gelegt; das Wasser spielte mit ihren Haaren.
Hallo, gute Frau, sagte ich, denn die Frau war nicht unattraktiv, haben Sie schon gemerkt, dass sie die Gitarre verkehrt herum halten?
Die Frau reagierte auf meine Frage nicht, sondern verharrte in der Verzückung.
Mir fiel ein, dass man sich in Musikerkreisen gern duzt. Zwar war ich kein Musiker, aber die Frau versuchte ja durch ihre Gestik und die innige Umarmung des Saiteninstrumentes zu dieser Gruppe klangerzeugender Menschen zu gehören.
Du spielst, als seist du Linkshänderin!, wurde ich etwas vertraulicher und hoffte, die Frau würde reagieren. Die aber zeigte keine Regung.
So wie Jimi Hendrix damals!
Ich hoffte, einen entscheidenden Impuls gegeben zu haben, denn wer will nicht wie Jimi Hendrix Gitarre spielen können? (Anm. der Red.: Stefan Mrotz, der spielt Trompete)
Die Frau blieb unberührt von meiner Frage.
Ist es nicht gefährlich, unter Wasser eine Stromgitarre zu spielen? Vor allem, weil dies gar kein Strom, sondern ein einfacher Fluss ist!
Meine provokante Frage sollte die Dame aus der Reserve locken. Natürlich hatte ich gesehen, dass gar kein Kabel in die Gitarre gesteckt worden war.
Nichts. Die Frau reagierte nicht.
Ich gab auf, denn mir war die Luft ausgegangen.
Enttäuscht schwamm ich nach Hause zurück und legte meine alte Jimi Hendrix-Platte auf, die gemütlich auf dem Plattenspieler knackte und knisterte..