Elfriede Jellischrek - Die Kaviarspielerin

Die Kaviarlehrerin Erika Strohhut stürzt wie ein Wirbelwind in die Wohnung, die sie mit ihrer Mutter teilt.
"Komm", ruft sie ungestüm,"lass uns ein Spielchen machen, ich habe auf meiner Fortbildung ein paar Tricks dazugelernt!" Die Mutter grummelt aus ihrem Lehnstuhl Unverständliches in das Fernsehzimmer und Erika wiederholt ihr Ansinnen.
"Komm, ein kleines Spielchen, ich mache auch eine neue Dose auf!"
"Das wird ja wohl mal Zeit, der ganze Kühlschrank stinkt nach Fisch!", zischt die Mutter jetzt Verständliches ins Wohnzimmer.
"Komm, setz dich her!" Erika ist enthusiastisch.
"Nimm einfach die Dose aus dem Kühlschrank und lass die neue zu. Mir riechen die Finger nach jedem sinnlosen Fischeierpopeln eklig, ich mag das heute nicht und wahrscheinlich auch morgen nicht. Also, gib jetzt Ruhe, ich möchte Sturm der Liebe gucken und da stört Fischgeruch gewaltig, vor allem bei den Liebesszenen!", ergänzt die Mutter energisch.
"Du bist ein Serienjunkie, Mutter! Komm, lass uns eine Runde Kaviar spielen, mehr muss es ja gar nicht sein. Da kommst du mal auf andere Gedanken!"
Die Mutter schleicht zum Kühlschrank, holt die angebrochene Dose Beluga-Kaviar heraus, dreht sich zu Mitte der Küche hin und kippt den Inhalt der Dose auf den Fußboden.
"Hier, spiel alleine! Die Regel kennst du ja: Wer am meisten Eier aufgesammelt hat, wenn kein Ei mehr auf dem Boden liegt, hat gewonnen....Da bist du endlich mal Erste! Ich geh jetzt Sturm der Liebe gucken."
Erika sitzt mit heruntergeklappter Kinnlade am Küchentisch. "Mutter, du bist unmöglich!"
"Nichts ist unmöglich...", singt die Mutter beim Hinausschleichen.
"Ich hasse dich!", zischt Erika ihr hinterher.
"Besser als gar kein Gefühl!", hört sie aus dem Fernsehzimmer.