Günter Krass - Als ich einmal blau war

 

In Gedanken versunken stand ich auf der blauen Acrylwurst, die der Maler aus seiner Tube gedrückt hatte. 

War das wirklich nötig gewesen?

In die Einsamkeit und Unzulänglichkeit dieser in tiefes Blau gefärbten Welt noch einen weiteren fetten Schlauch tiefsten Blaus zu quetschen?

Kunst war doch schon immer etwas anderes gewesen, als einfach irgendwohin zu klecksen, mit dem Spachtel darüberzuziehen und zu hoffen, dass da ein neuer Pollock eine Weltreise geboren hätte.

Jedes Kunstobjekt braucht einen willigen Idioten, der es kauft und dem sogenannten Künstler eine gehörige Summe Geld in die Tasche seines verschmierten Malerkittels steckt.

Was wäre denn Kunst, wenn niemand sie kaufte? Wertloses Gemache und Getue, dass irgendwann eingetrocknet von der Wand fiele. Nicht einmal Spinnen, Kakerlaken oder Kellerasseln hätten Freude daran. Zu früh übers Bild gehuscht, schon säßen sie im Künstlerschlick und schließlich fest, um elendiglich zu verhungern. Dabei hätten sie geröstet gut als Brotbestreu für den Proteinliebhaber dienen können. So gammeln sie nur. Das will niemand auf dem Brot oder im Müsli haben, auch wenn das Schweinefleisch immer teurer wird.

Wie kam ich als Vegetarier jetzt auf Fleisch? Ach, ich weiß es nicht. War es die Malerwurst, die mich erinnerte? Oder die Kunstbranche, die mir wurscht war?

Insgeheim wünschte ich mir, der Acrylist würde einmal breit mit dem Arbeitsgerät über das Ganze ziehen, die Wurst gleichmäßig verteilen und dieser trüben Welt im Blauen seinen Frieden überspachteln.