"Weiser Mann" Olli Dallilahmer: Sei wie der Zweig...

...auf dünnem Eis. Der Sturm der Hektik, des Alltags, des Aufbegehrens und der Resignation, der Gehaltserhöhungswünsche und der inneren Schreie gegen den Liebesentzug, den du immer wieder erleidest, hat dich heruntergerissen vom Baum, hat dich deiner Heimat entrissen, hat dich hingeschleudert und an den Boden gezwungen. Du bist ganz unten und du spürst es. Du siehst unter dich und schaust in das Wasser des Lebens, das dir genauso den Tod bringen kann. Endlich kannst du den Dingen auf den GRUND gehen, und bist dabei selbst ohne Grund, ohne festen Boden, du schwebst förmlich in der Mitte zwischen Nass und Trockenem, zwischen Fliegen und Schwimmen. Nichts ist, was du wirklich willst, du kannst dich nicht entscheiden, denn die Entscheidung wurde dir abgenommen. Du liegst auf dünnem Eis, auf einer temporären Begründung deiner Existenz, einer, die vergeht, die morgen schon weg sein kann. Du musst die Zeit nutzen; du weißt nicht, wieviel dir bleibt, sodass du sofort beginnen musst.

Ruhen. An nichts denken. Sein. Wahrnehmen. Atmen. Bewegungslos, denn der Weg wird zu dir kommen. Die Menschen ziehen vorbei und werden bedeutungslos. Die Themen des Tages - bedeutungslos. Du hast keinen Kaffee mehr im Haus, bedeutungslos. Du hast vergessen, Wilma anzurufen und ihr noch einmal deutlich zu sagen, was für einen beschissenen und kleinkarierten Ehemann sie hat, der nicht mal bereit ist, einem engen Verwandten zwei lächerliche Tausender zu leihen, sondern sich vielmehr über ihn lustig macht, beutungslos. Alles ist gleichgültig. Sein. Nur sein. Nur du sein. Warten. Atmen.



Ein leichtes Knacken. Ein zweites Knacken, nicht mehr ganz so leicht. Vielleicht wird es Zeit zu gehen, vor allem wenn du nicht schon wieder nass werden willst und hinterher der begossene Pudel sein willst. Ruhig bleiben. Keine hektischen Bewegungen, denk an den Pudel!

Gut, das hat noch nicht geklappt. Jetzt nicht panisch herumplanschen! Kräftige, ruhige Züge, dann an Land gehen und in Bewegung bleiben. Warm halten, wo sind die trockenen Sachen? Das war doch vereinbart, dass jeder eine trockene Garnitur Kleidung dabei hat, begossener Pudel, ist klar, Günter! Günter, kannst du Herbert mal dein Fleeceshirt leihen, Benni, deine Hose? Jaja, ich weiß, er muss das auch lernen, hat er aber noch nicht. Nächstes Mal, ist klar, nächstes Mal. Das wird. Das wird auf jeden Fall. Das weiß ich. Danke, Benni, danke, Günter. Nein, Herbert kann noch nicht selbständig danke sagen. Das wird aber.