Philosophischer Tisch: Das Wein-Axiom

Ein Aufjaulen am philosophischen Tisch: Einer der Disputanten behauptet, er habe einen der drei Sätze gefunden, mit dem die Welt zu erklären wäre. Jahrelang hatten die Teilnehmer versucht, schlichte Axiome zu finden, mit denen alles, aber auch wirklich alles zu beweisen ist.
"Wer Wein predigt, trinkt auch Wein!" wird auf den runden Tisch geworfen, die Gläser scheppern, der Wirt stutzt, die Gäste verstummen. "Wasser predigen und Wein trinken heißt das doch", tönt es aus dem Off, und die kleine Denkergemeinde sieht die gerade aufgestellte Hypothese vom Gesprächsbelauschern zerstört. Doch in diesem Moment schafft es einer der fünf Anwesenden, wahrscheinlich Dr.Karasack, das in sich Unstimmige selbst zu erkennen und das Axiom zu widerlegen: "Der Satz setzt voraus, dass man Weintrinker ist, wenn er für die ganze Welt gelten soll. Das aber ist schon mal falsch. Richtig wäre: Die ganze Welt trinkt Hefeweizen. Dann könnte man das Axiom aufstellen, dass wer Hefeweizen predige, auch Hefeweizen trinke.", so Karasack. "Und was ist mit den Wassertrinkern?", fragt Evi und ist betroffen. "Genau", jetzt Wanda," gerade in der dritten Welt, da haben die nicht mal Zugang zu sauberem Wasser!" Dr.Karasack lässt sich nicht verleiten, von seiner These abzuweichen. "Ich sage Hefeweizen. Vor allem, wenn Wein, dann Rotwein,Weißwein oder Rosé? Weinschorle?Trocken oder lieblich?" Der philosophische Tisch ist sprachlos; soviel Scharfsinn nach dem dritten Hefe hätte Dr.Karasack niemand zugetraut.
"Dietlinde, noch mal ne Ladung Weisen!", schreit Karasack durch das jetzt wieder schwafelnde und bramabarsierende Pubklikum an die Theke.
Die Suche geht weiter.

In Mobilien investieren

Das hat uns der Amerikaner beigebracht: In Immobilien zu investieren kann gefährlich sein, da liegt am Ende nicht nur das eigene Konto im Argen, sondern die ganze Weltwirtschaft. Jetzt haben wir den Salat, nur weil der blauäugie Amerikaner, der sonst gerne Kriegsofpern Kaugummis und Schokolade verteilt, sich ein paar Häuser gekauft hat, die von maroden Abzockbanken finanziert wurden. Darüber hinaus ist es schon eine Zumutung den Satz „Ich möchte in Immobilien investieren“auszusprechen. Da ist der Banker in der Regel überfordert, da das Gemummel des sprachlich Unausgebildeten eher wie „Innommilienimmvenieren“ klingt.
Findige deutsche Kleininvestoren haben sich jetzt eine Lösung zurechtgelegt, die einleuchten will: In Mobilien investieren. Auf der einen Seite wird dem sprachlichen Holperstein der Grund weggegraben, anderseits hat eine bewegliche Wohneinheit den Vorteil, dass man im Falle einer Pfändung schnell mittels überall verfügbarer Zugmaschinen die Behausung aus der Reichweite des Gerichtsvollziehers bringen kann.
Besonders geeignet für diese Art der Investition sind Bauwagen, die sich nicht nur in einer Großbaustelle gut unterbringen lassen, sondern auch preislich günstig liegen, sodass ein gebrauchtes Objekt bei einer Laufzeit von 20 Jahren bei 1% Tilgung und 2% Disagio für einen monatlichen Betrag von 2,50 € zu haben ist. Da kann doch der Bungalow in Malibu getrost verrotten oder in die Reißzähne von Kredithaien geraten.

Georg Krakl: Bleiches Gesicht (2009)


Bleiches Gesicht,
ich kenn' dich nicht.
Gelbes Gesicht,
bist Chinese oder sonst ein Asiat?
Gehörst zur Schickeria? Zum Proletariat?

Du bist nicht gelb. Bist eher bleich, Gesicht.
Und ich: Ich kenn dich nicht.

Philosophischer Nebentisch: Zeit

Was ist schon Zeit? Entweder man hat sie oder man hat sein nicht. Also ich habe wenig Zeit, sagt Gernot, nachdem er sein Pilsglas abgesetzt hat.
Kann man Zeit denn haben? Die läuft doch sowieso weiter, wendet Horst ein.Zeit ist eine Illusion, schlaumeiert Klaus. Eigentlich ist die gar nichts ohne den Raum,
Watt, sagt Knut, du meinst, wenn wir hier diesen Raum, diese Kneipe sagen wir mal, nicht hätten, dann gäbe es keine Zeit? Dann können wir vor die Tür gehen und ich kann ein Bierchen mehr trinken.
Red keinen Quatsch, korrigiert Gernot, draußen ist doch auch Raum, alles ist Raum, nur dass da keine Wände sind.
Genau, sagt Klaus, oder hast du schon gesehen, dass der Weltraum Wände hat? Am besten noch tapeziert! Klaus lacht und Knut schaut verärgert.
Meine Frau hat jede Menge Zeit, als die treibt doch keiner, die sitzt zu Hause und überlegt, ob sie erst Wischen soll oder doch eine Runde mit Freddi um den Block geht, damit der nicht wieder hinters Sofa macht. Oder ob sie eine Verkaufssendung im Fernsehen guckt. Die hat Zeit, während ich gerade zur Arbeit hetze. Die hat Zeit, mit oder ohne Raum. Knut wird nachdenklich.
Die könnte ja als Raumpflegerin arbeiten, gibt sogar mehr Geld in die Kasse, schlägt Gernot vor.
Wer den Raum pflegt, hat automatisch mehr Zeit, philosophiert Klaus.
Seit wann das denn?, wendet Gernot ein.
Habe ich nur so gesagt, jetzt Klaus.
Mit dir kann man auch kein ernsthaftes Gespräch führen, murmelt Gernot und trinkt einen Schluck Pils.
Knut wird unruhig: Ich muss, Leute, die Zeit drängt, meine Frau sitzt bestimmt schon vor dem Dschungelcamp, das gucken wir immer zusammen, will sie jedenfalls, und was Gemeinsames machen Ist nicht schlecht in einer Beziehung. Also, wird Zeit. Tschüss denn.
Jau tschüss, die anderen. Hat nie Zeit, der Bursche, spricht Klaus in sein Glas. Gernot nickt. Wenn, dann nur zeitweise. Aber meistens nie.
Trinken wir noch einen?, fragt Klaus. Jupp, kontert Gernot. Wir haben Zeit...

Vier Rohre wollen in die weite Welt


Da stehen sie nun und schauen aufs offene Meer. Der blanke Hans scheint ihnen kalt und nass und ungemütlich. Aber die vier Rohre aus Oldenburg haben beschlossen in die weite Welt zu ziehen. Nun stehen sie an der Küste, der Landweg ist zu Ende, die Reise geht durchs Wasser.
"Kannst du schwimmen?, fragt Rohr 1 und wackelt verlegen hin und her.
"Weiß nicht, hab's noch nicht probiert", spricht Rohr 2.
"Rückenschwimmen habe ich mal versucht", ergänzt Rohr 3," war jetzt aber nicht so doll. Also, nicht so weit."
"Was ist denn Schwimmen?, fragt Rohr 4.
"Ok", jetzt Rohr 1 wieder, " zurück nach Oldenburg und erst mal einen Schwimmkurs belegen. Im Hallenbad geht das."
"Ist das geheizt?", fragt Rohr 2.
"Ja, sicher", weiß Rohr 3.
"Na, dann lass uns gehen", ergänzt Rohr 4, "in Oldenburg ist es auch schön."
"Und weit", jetzt Rohr 4, das traurig ist, den ganzen Weg umsonst gegangen zu sein.
"Aber nicht so weit wie die weite Welt", tröstet Rohr 1.

Vegetarier überlisten

Das hassen Fleischesser: Vegetarier auf ihren Grillfeten, die die Beilagen im Akkord wegfuttern, als seien sie ausgehungerte Kühe, die auf den Gemüsegarten losgelassen worden sind.
So hat sich der listige Grillfan, der Fleisch gerne kiloweise auf den Rost legt, ausgedacht, dem gehassten Treiben ein Ende zu bereiten und den Grünzeugvertilgern ein paar Frikadellen aus echtem Mett unterzujubeln, um dann zu beobachten, ob die das überhaupt merken. Das Vorurteil gilt nach wie vor: Die merken nichts, weil sie kein Fleisch essen. Fleisch wird als großer Aufmerksammacher unter den Grilltaschenliebhabern gehandelt, auf jeden Fall, merkt Bobbi immer auf, wenn der Duft gegrillten Fleisches ins Wohnzimmer strömt, er aber gerade vor dem Fernseher bei einem Fläschchen Bier eingenickt ist.
"Lieber Vegetarier", so beginnt die trügerische Ansprache, "du hast mal wieder den Teller voll mit Unfleischlichem. Nimm doch hier ein paar Veggi-Kötbulla dazu."
Köttbulla klingt jedem wie Verdautes aus dem Hundekörper, aber mit dem Veggi davor erhält es gleich den gewünschten Gesundheitsaspekt.
"Es sind feine Frikadellen ohne Fleisch, die aus Sägemehl und Holzleim plus einigen Farbstoffen bestehen und die ein schwedischer Möbelhersteller von den östlichen Grenznachbarn Deutschlands bezieht, weil sie dort billiger ist. Der Vegetarier, immer neugierig, wie seine Speisekarte erweitert werden kann, greift zu und beißt rein, die Erklärung der Inhaltsstoffe hat er in seinem Eifer überhört. "Uäh, schmeckt nach Sägemehl", würgt der penible Feinschmecker hervor. "Quatsch", erwidert der Gastgeber, "keine Spur von Sägemehl oder Holzleim! Was wie Sägemehl schmeckt, ist in Wirklichkeit Schweinefleisch!"
Ein Schenkelklopfer. Die Fleischesser biegen sich vor Lachen und der Vegetarier ist froh, dass die Holzbuletten an ihm vorbeigereicht worden sind. Guten Appetit! Besser geraspeltes Schwein als gefeilte Holzpalette aus dem Recycle-Shop.

Ferngesteuerte Touristen

"Ich wollte eigentlich diesen Pfahl fotografieren!", sagt die Fotografin, als sie ihre Kamera auf einen angespitzten Holzbalken richtet, der einmal einen Schiffsanleger an der Nordsee gestützt hat. "Hach", spricht nun der ältere,übergewichtige Tourist in unscheinbarer Freizeitkleidung, "da könnense auch mich fotografieren, ich bin spitz wie ein Pümpel!" Die Fotografin ärgert sich über das missratene Foto und kontert: "Pümpel sind nicht spitz, Pümpel sind tumb. Und: Was ist überhaupt ein Pümpel?" Der Tourist lacht breit: "Na, einer wie ich!" "Herbert!" schreit es da aus dem Hintergrund. Seine Frau. "Du sollst nicht immer Fotografinnen anquatschen, die einen angespitzten Holzbalken fotografieren wollen!" "Pfahl!", korrigiert die Fotografin.
Die Eehefrau hält in der Hand eine Fernbedienung. "Da drück ich jetzt mal auf MUTE", flüstert sie, und der Tourist in seiner unscheinbaren Freizeitkleidung, der gern ein Pümpel wäre, verstummt. "Mutti", ruft es in ihm. Die Fotografin kann endlich ihren Pfahl fotografieren. "Das ist nicht mein Pfahl", sagt sie noch.

Der Geruch eingecremter Frauen

Der Jogger stampft seine Runde durch den Stadtpark; sein Fleece dünstet aus, er läuft ein wenig schneller, um dem Geruch nach Arbeit und Bewegung, nach workout und runningpoint zu entgehen. Tiere laufen nicht mehr weg, wenn er an ihnen vorbeitrampelt. Zwei Frauen kommen ihm entgegen, den Blick zu Seite gerichtet, ihn bloß nicht anschauend, das haben sie wohl in der Selbstverteidigungsgruppe gelernt, nicht in die Augen schauen, das provoziert. Vielleicht sind sie angewidert von seinem Geruch, vom Tier in ihm, vom Würzigen, Erdigen, Urigen, Archaischen, von dem, was früher die Frauen angezogen hat. Das ist nicht mehr zeitgemäß, nach Mensch in Bewegung zu riechen. Das hat uns die Kosmetikindustrie ausgetrieben. Die Frauen riechen nach einer Mischung aus Nivea und Sheabutter plus 3% Jojobaöl. Sie riechen, als hätten sie vor dem Laufen geduscht und sich anschließend eingecremt, um jedem Entgegenkommenden entgegenzuduften: Wir sind sauber, egal, was wir machen! Wir stinken nicht!
Der Saubermann wird von der Sauberfrau abgelöst. Traurige Gleichberechtigung.

Sich an einer Weide auf einer Weide weiden

An einer Weide
standest du im duft'gen Kleide
auf dich war ich so wild
und wollte schnell ein Bild
ich hatte so Verlangen
du warst schon aus dem Bild gegangen

als ich die Kamera endlich soweit hatte, dass ich das Bild machen konnte. Blöde Technik...

Wilde Feiern auf Friedhöfen?

Was soll der Spaziergänger denken, der sich auf einem meditativen Friedhofsgang befindet, wenn er einen Blick in die Müllkörbe wirft?
Hat hier eine abgedrehte, morbide Gruppe verkorkster Freizeitversager bei Grablichtern wüste Gesänge intoniert und Schnaps aus Flaschen getrunken, die durch Plastiktüten getarnt waren?
Nach den roten Plastikhüllen für die Partybeleuchtung zu urteilen, müssen mindestens 8 Personen ihr Unwesen getrieben haben an einem Ort, der der Ruhe, nein der Stille, der Nachdenklichkeit, dem Gedenken, der Trauer, der Selbstbesinnung und des Bewusstwerden der eigenen Vergänglichkeit vorbehalten ist. Wie weit muss es diese Menschen getrieben haben? Oder waren es nur 4 Ruhestörer, die jeder zwei Lichter dabei hatten? Denkbar wären auch 16 Personen, von denen sich immer zwei ein Licht geteilt haben. Eher unwahrscheinlich, denn Ruhestörer teilen nicht gern. So kann die Annahme, es habe sich um 32 Personen gehandelt, so dass immer vier sich eine Beleuchtung geteilt haben müssten, verworfen werden, eben aus den genannten Gründen. Das gilt ebenso für eine Gruppe von 64 Personen, undenkbar eigentlich, wenn man da in der hinteren Reihe steht, sieht man von den Talglampen nichts und vom Schnaps noch etwas abzubekommen, wäre völlige Illusion.
Möglich, dass es nur eine Person war, die hier gefeiert hat, die hätte genug zu trinken gehabt und volle Beleuchtung. Und das ist ein triftiger Grund.

Grausame Läden in Polen

Wer Polen verlassen will, weil er sich an der schönen Landschaft sattgesehen hat, kommt nicht umhin, an Straßenläden vorbeizufahren, die dem Augen und der Seele Schaden zufügen könnten. Wird manch Mitbürger schon aggressiv, wenn er einen Gartenzwerg in Nachbars Garten sichtet und greift spontan zum Hammer, so ist sein Nervenkostüm auf dieser Fahrt aufs Äußerste strapaziert. Nicht nur, dass hier Gartenzwerge feilgeboten werden, auch andere Wesen, die man längst ins Unterbewusste abgedrängt hatte, werden noch einmal zu Stein und zu realen Objekten, die sich jeder in den Kofferraum laden darf, wenn er vorher genügende Zloti, oder besser Euro, über den Tisch hat gehen lassen. Ob er zu Hausen dann den Hammer einsetzt und sich für den Seelenschaden rächen will oder eine schöne Stelle im insgesamt hässlichen Vorgarten sucht, um dem geschmacklosen I noch ein Tüpfelchen aufzusetzen, ist dem Verkäufer egal. Interessant ist allerdings, dass sich der Osten auf die veränderte Bedürfnislage der westwärts fahrenden Konsumenten eingestellt hat: Es gibt auch unspezifische Holztafeln, blau oder rot gestrichen, die dem Gartenzwerghasser und Steinpilzsammeler(Haha!) oder Steinkorbkliebhaber mit Zerstörungambitionen eine Alternative bieten. Bei etwaigen Grenzkontrollen erleben diese Käufer nicht mehr ein hämische Grinsen der Zollbeamten (Was hat der denn für einen Scheiß gekauft?), sondern eher den interessiert-neugierigen Blick des Fahnders, der sich fragt, wie und wo hier Drogen versteckt worden sind. Auf jeden Fall rät der Pschologe: Lieber eine rote oder blaue Holztafel im heimischen Garten zerhacken, als einen hässlichen Gartenzwerg in Trümmer prügeln. Der Zwerg hat doch noch zu viel Menschliches, als dass solches Tun nicht von Schuldgefühlen begleitet würde. Und wwer will die schon haben?

Hessen: War doch klar

Der lesefaule und lesegehemmte Hessen wählt einfach: Wörter mit einer Silbe und die an irgendetwas erinnern, bestmöglich sogar noch primäre Bedürfnisse wie das Verlangen nach zubereitetem Essen ansprechen, bekommen ihr Kreuz. Längere Wörter oder Wörter mit zu vielen Umlauten werden als Bedienungsanleitung oder Allgemeine Geschäftsbedingungen erkannt, die man natürlich nicht wählen kann, weil die keiner Partei angehören. So hatte Roland Koch in Hessen mal wieder die Nase vorn, wenn auch nicht viel weiter als im Vorjahr. Sein Kontrahent, wie war doch noch sein Name, jedenfalls hatte zuviel verschiedene Vokale und vor allem zu viele Umlaute in seinem Doppelnamen, der eher an eine wohlsituierte Dame mit Wohltätigkeitsambitionen erinnert, dazu noch einen Bindestrich und diverse Konsonanten,und ging als Kleingedrucktes im Wahlurnengetümmel unter. Die von Koch geführte CDU muss nun zur Strafe mit der FDP regieren.

Wahl in Hessen (Bericht von 14.30 Uhr)

Dass die SPD wenig Chancen hat, diese Wahl zu gewinnen, ist doch klar. Bereits in der letzten Runde hatte Roland "Lügennase" Koch beste Chance, sämtliche Legastheniker des Landes auf seine Seite zu ziehen. Koch liest sich einfach besser als Ypsilanti. Jetzt tritt Schäfer-Gümpel an, den man anfänglich mit Gaffer-Schniepel verwechselt hatte, mit einem Doppelnamen, der klassisch gesehen auf eine Frau verweist, und straft damit alle Lese-Rechtschreibschwächlinge ab: Den könne die gar nicht wählen, weil es zu lange dauert, den Namen zu lesen und einem SPD-Kandidaten zuzuordnen. Dabei sind Legastheniker schlau, wenn es um Rechnen und anderes geht. Schade, es wäre einen Versuch wert gewesen. Aber in Hessen kann auch ein Koch den Brei verderben, und dagegen hat es ein Schläfer-Gerümpel ganz ganz schwer. Oder wie der sich schrieb. Da fängt der Schweiß doch schon an, dass man nicht genau erkenkann wasdawerdaistdadaist. Blabal. Politist!

Ausgestorbene Wörter: Ruckdudde

Ein schönes deutsches Wort könnte "Ruckdudde"sein. Was es genau bedeutet, ist bisher unbekannt geblieben, man kann Vermutungen anstellen, dass es irgendetwas Technisches ist, vielleicht ein Bauteil einer Dreschmaschine oder eines Förderbandes für Pfandflaschenkisten. Um 1970 herum ist das Wort entstanden, als ein gelangweilter Gymnasiast im Deutsch- und Erdkundeunterricht, vielleicht auch in Physik oder Geschichte, nach Beschäftigung für sein Hirn suchte und es für eine gute Idee hielt, neue Wörter zu schöpfen. Er hatte bereits, leider erfolglos, eine Materialsammlung für ein Lexikon der Lautmalerei begonnen( Aaah, arf, arghhhh, bumms, boller, brech, badautz), das es bereits gab. Nach Abbruch des Unterfangen widmete er sich planlos der Erzeugung von Neologismen. Gegen 10.14 Uhr am 3.September 1970 schrieb er, widersinnigerweise in der Englischstunde, das Wort "Ruckdudde" auf seinen Notizblock und erfreute sich am Wohllaut der Vokale und Konsonanten.
Nachdem er eine Woche später das Blatt seines Notizblockes umschlug, um endlich eine neue Seite zu beginnen, verschwand mit den anderen Notizen, die keinerlei Bedeutung für seine Bildung besaßen, auch das Wort Ruckdudde. Erst achtungvierzig Jahre später sollte sich der damalige Gymnasiast wieder des Wortes erinnern. Ein Lächeln flog über sein Gesicht, denn er hatte das Wort in der kurzen Woche seiner Existenz liebgewonnen. Eine Bedeutung konnte er ihm allerdings auch nach so langer Zeit nicht zuweisen. Da er es in der ganzen Zeit an keiner Stelle gehört oder gelesen hatte, ging er davon aus, dass es ausgestorben sei. Wir, die Leser monotoner Bücher mit reduziertem Sprachcode, sind um ein schönes Wort ärmer.
(Foto: Vielleicht mag man sich eine Ruckdudde wie oben abgebildet vorstellen. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht ist eine Ruckdudde kleiner, kantiger oder noch spitzer, bzw. stumpf.)

Rotraud Grauth-Mechtig: Dortmund 2


Es reimt sich auf Dortmund
So schön Deutscher Sportbund.
Den Reim auf Essen
Hab' ich vergessen.
"...ist ein Höhepunkt der krtischen Lyrik. Dortmund, die Stadt mit den meisten Staublungen, mit der höchsten Unbeweglichkeitsrate, dieses Zentrum von Trunksucht und ungeschicktem Ballsport auf professioneller Ebene, wird durch die Verknüpfung mit dem Deutschen Sportbund auf eine Ebene transportiert, die Hoffnung schimmern lässt. Es gibt noch etwas zu retten, ihr seid nicht am Ende!Die tröstlichen Zeilen sind Lebenshilfe par excellence, die gleichzeitig Handlungsanweisung sind: Tu was, raus aus den Sesseln, weg die Schlappen, aus den Fernseher!
Grandios dann die Zeilen zur Industriestadt Essen, der Dichter hat einen Reim auf Essen vergessen. Welch sprachlicher Kunstgriff, im Wort vergessen verbirgt sich das Wort Essen. Ein Paradox, das sich durch die schlichte Sprache aufzulösen vermag, die dem Betrachter die ganze Problematik des Ruhrgebietes auf zeigen will: Den Konkurrenzdruck der Städte, die heimliche Rangliste, die triste Romantik von Selbstmordgefährdeten. Das treibt Grauth -Mechtig an die Spitze regionler Lyriker und lässt mit Dortmund 2 ein Vorzeigegedicht der Weltldichtung vermuten....." (Aus: Helmut Karasack: Sternstunden des Endreims, Dortmund 2008, S. 804)
Georg Krakl: Gespräch mit einem Pitbull (Dortmund)
Heimatkunde für Hunde
Dieser Ort, Hund
heißt Dortmund
Biologie
Dieser Knochen,
den du mitgebracht,
gehörte einst zu Jochen,
der jetzt nicht mehr lacht.

Windfried und Edger: Wer ist Hildegard Knef? ( Das Schweigen 3 )

Windfried und Edger stehen am Mittellandkanal. Sie haben 90 Minuten für ihr Remake von "Das Schweigen"geschwiegen. Probeaufnahmen sind im Kasten. Benno packt seine Kamera ein.
Windfried: Wer spielt denn die Hildegard Knef, du oder ich?
Edger: Wen?
Windfried: Ich finde du, du hast doch die volleren Lippen.
Edger: Von wem sprichst du überhaupt?
Windfried: Dein Mund ist auch breiter. Kommt besser, wenn du dann "Für mich soll's rote Rosen regnen" singst.
Edger: Hildegard Knef? Die macht doch in "Das Schweigen" gar nicht mit.
Windfried: Also einer muss es machen. Ich denke, du.
Edger: Hallo? Hörst du mit überhaupt zu?
Windfried: Wieso?
Edger: Wies0? Weil Hildegard Knef nicht im "Schweigen" mitmacht.
Windfried: Noch nicht. Wir haben hier ja auch bisher nur rumgestanden und geschwiegen. Jetzt wird es mal Zeit, eine Frau einzubringen. Damit sich der Zuschauer nicht langweilt. Hat auch eine erotische Komponente.
Edger: Ich fasse es nicht.
Winfried: Hieß Bergmann eigentlich Ingemar oder Ingrid?
Edger: Weiß ich doch nicht.
Winfried: Auf jeden Fall war er eine Frau.
Edger: Ich drehe durch.

Missratene Reime: Rotraud Grauth-Mechtig - Dortmund 2008


Graue Stadt am Meer
bist du nicht.
Da verwechsel ich dicht.
Bist nicht Leer
oder Aurich oder Stade oder Emden.
Bist nicht Stadt der vielen Verklemmden.
Bist Dortmund, einfach Dortmund.
Das finde ich total in Ordnund.

Günther Krass: Erinnerungen - Russisch Brot

Wir lernten lesen, indem wir die Nudeln aus der Buchstabensuppe fischten und am Tellerand zu Wörtern aufreihten. Pratzlib oder schrubtar waren Begriffe, die wir nicht kannten, die sich aber aus dem Angebot des Suppentellerbodensatzes ergaben. Später entdeckte meine Mutter das Russisch Brot im Regal des Konsums und brachte es mit nach Hause. Zu besonderen Tagen wurde es zum Muckefuck oder Kaffee gereicht und durfte nur wortweise konsumiert werden. Da wir Zweitklässler nur wenig Wörter kannten, die über zwei Silben hinausgingen, schoben wir Kohldampf und nährten uns zwangsläufig mit Keksen, die nach Blechbüchse schmeckten, weil sie bereits 4 Wochen vor Weihnachten gebacken worden waren, und es nun kurz vor Ostern war.
Damals begriffen wir nicht, dass unsere Lust am Wörterbilden und anschließenden Einverleiben der Buchstaben zukunftsweisend war. Weit vor der Erfindung des Hiphop, weit vor Gettoblaster, Hose-in-den-Kniekehlen und Goldkettchen, entstand der Begriff "Ompen". Uns war nicht klar, was hinter diesem Wort einmal stecken würde. Viele Jahre später erst bezeichnete es einen Vorgang im Rahmen der Beatbox und der Bodypercussion. Ompen ist das Dungdiffdedisch und das Itsitsits der Rapper, wenn sie sich in Stimmung für einen Freestyle-Rap bringen wollen. Dass Raps auf Englisch oder auf Deutsch vorgetragen werden, mag den Russen, der damals noch Sowjetbürger hieß, stören, aber auch der Russe ist nicht mehr, was er mal war; heutzutage macht er Urlaub in einem All-inclusive-Hotel in der Türkei und lädt sich am Büffet den Teller so voll, dass man von den Resten ein Schwein ein Jahr lang durchfüttern könnte.
Geblieben ist aus der vergangenen Zeit "ompen", ein Wort, das die Menschen lieben müssen.

Farbe bringt Leben in den Winter

Herrlich, wie es manche Menschen verstehen, Farbe in den tristen Winter zu bringen! Der Garten befindet sich in seiner Ruhephase, selbst der Waschbeton rührt sich nicht vom Fleck und die Blumen und Gewächse, Bäume und Büsche verharren still und warten auf den Frühling. Wie schön mutet da ein einfacher Betonkübel an, formschön gegossen und richtig auf dem Gehweg platziert, gelb gestrichen, um den übermütigen Radfahrer zu warnen: Vorsicht! Verletzungsgefahr!
Im Sommer hätte man diese Augenweide vielleicht übersehen oder mit Worten wie"Nä, watt hässlich" oder "Vatter, kuck mal, wie potthässlich, wie oberpotthässlich!" bedacht, jetzt aber im Winter, wo die Menschen nach bunten Flecken lechzen, trifft er auf ein Urbedürfnis und hilft über die schlimme Jahreszeit.

"Weiser Mann" Olli Dallilahmer: Weiser weißer Vogel

Werde wie der weise weiße Vogel; und wenn dein Inneres nicht so weit ist, wenn es nicht leer ist von Weisheit, leer ist, zu warten, was dir gesagt wird, um es der Welt mitzuteilen, dann arbeite an deinem Äußeren. Wir Wissenden kennen die hermetische Weisheit: Wie innen so außen, wie außen, so innen, wie oben so unten. Das ist Grundlage der Astrologie und lässt dich hoffen. Beginne mit deinem Gesicht, mit deiner Miene, mit deinem Blick. Lerne vom weisen weißen Vogel, der vielleicht gerade meditiert, weil es zum Fliegen zu kalt ist. Halte die Augen leicht geschlossen, blicke zu Boden, was Demut repräsentiert und ein nach Innengekehrtsein. Halt den Schnabel! Das will dir sagen: Still jetzt, lass die anderen reden, da kommt genug Blödsinn zusammen, den du mit kurzen, prägnanten, manchmal vielleicht kryptischen Worten bedienen kannst. So wie der weise weiße Vogel ganz selten einen Laut von sich gibt, so sei auch du sparsam mit deinen Worten. Je weniger du sagst, desto wertvoller wird das einzelne Wort. Achte auf deine Körperhaltung, steh oder sitz aufrecht, dann kann die Energie fließen, der Betrachter denkt an seine ausgeleierte Bandscheibe und strafft sich wie von selbst. Du bist sein Vorbild. Er beginnt automatischmit dem Lauschen, weil er heilende Worte von dir will. Du aber lässt ihn warten, weil du gerade keine heilenden Worte auf Lager hast und weil du auch keine heilenden Worte kennst. Der Wartende denkt: Wie weise, der weise Mann. Kein Wort zu viel, keins zu wenig. Da will ich mal schön zuhören und alles aufschreiben, damit ich nichts vergesse; wer weiß, wozu ich das mal brauchen kann.
Bleibe an einem Ort, beweg dich nicht viel, renn nicht herum, wie es die Toren machen. Du ruhst in dir. Das wirkt sich auf die Betrachter aus. Sie werden ruhig, veilleicht sogar ein bisschen schläfrig, aber das ist nicht schlimm, sondern lässt dir Zeit, dich zu sammeln und eine Antwort auf die Frage "Was soll der Blödsinn?" zu geben. Bleib ganz ruhig, wenn du keine Antwort in dir hörst, du bist vielleicht noch nicht so weit. Vielleicht kaufst du dir erst noch einen weißen Anzug, einen weißen Rollkragenpullover und weiße Schuhe, das ist immer gut, denn Weiß ist die Farbe der Erleuchtung.
Dann heißt es nur noch warten, dass sich der äußere Effekt ins Innere arbeitet, dass es in dir wirkt, wie es außen schon vorbereitet ist. Und wenn du in deinem Kopf nur, wie du es nennst, gequirlte Affenscheiße findest, bleib ruhig, sie kann der Dünger sein, damit die Weisheit in dir wächst. Denn alles hat einen Sinn, selbst der Blödsinn, wie das Wort schon sagt.

Östliche Weisheit: Halber Mantel

Triffst du auf einen armen Mann, dann zerreiß nicht gleich deinen Mantel in zwei Hälften, um die eine Hälfte dem armen Mann zu geben. Schau erst, ob der arme Mann überhaupt einen halben Mantel brauchen kann.

Windfried und Edger: Das Schweigen (Teil 2)

Windfried und Edger stehen wieder am Mittellandkanal. Hinter der Kamera steht Benno. Noch einmal sind Probeaufnahmen für ihr Remake von "Das Schweigen". Nach 60 Minuten des Schweigens:
Windfried: Jetzt wäre die Nacktszene dran.
Edger: Wird da auch geschwiegen?
Windfried: Ja sicher.
Edger: Und wer soll die machen?
Windfried: Ja, ich nicht.
Edger: Ich auch nicht.
Windfried: Ohne Nacktszene ist das ein ganz anderer Film.
Edger: Trotzdem.
Windfried: Ist doch nur Schwarzweiß.
Edger: Eben.
Benno: Ich mach das!
Windfried: Du bist doch hinter der Kamera.
Benno: Na, und?
Windfried: Da sieht man dich doch gar nicht.
Edger: Ist doch egal?
Benno: Hauptsache wir haben eine Nacktszene.
Windfried: Ich weiß nicht.
Benno: Das passt schon.
Edger: Was nicht passt, wird passend gemacht.
Benno: Das ist noch richtiges Handwerk.
Windfried: Aber in Schwarzweiß, das ist Bedingung.
Benno: Na, klar.
Edger: Eben.

Windfried und Edger: Sag mal was (Das Schweigen 1)

Seit 90 Minuten stehen Windfried und Edger am Mittellandkanal zu Probeaufnahmen für ihren neuen Film, ein Remake von "Das Schweigen", und schweigen.
Windfried: Sag mal was!
Edger: Was?
Windfried: Irgendwas.
Edger: Irgendwas?
Windfried: Sag ich doch.
Edger: Dann sag du!
Windfried: Was?
Edger: Irgendwas!
Windfried: Blöde Unterhaltung.
Edger: Klappe!
Windfried: Meinst du mich?
Edger: Quatsch, Benno.
Windfried: Wieso Benno?
Edger: Das ist doch unser Kameramann.
Windfried: Der hat doch gar nichts gesagt.
Edger: Das sagt man aber so.
Windfried:So?
Edger: Benno, Klappe!
Benno: Hab schon!
Edger: Alles im Kasten?
Benno: Klaro.
Windfried: Heißt das nicht "Alle auf dem Kasten"?
Edger und Benno: Nö.

Schöne kalte Jahreszeit?

Da wollen einem die Mitmenschen weismachen, dass die kalte Jahreszeit mit ihrem Frost und ihrem Raureif, ihrer Glätte und ihren zugefrorenen Autofenstern, den spiegelblanken Bürgersteigen und dem verunglückten Postboten, der dich in Regress nehmen will, weil du nicht pünktlich um 7 den Zuweg zu deiner Wohnung gestreut hast - Frage: Wann kommt denn die Post um 7? Das kann doch höchstens der völlig verspätete Zeitungszusteller gewesen sein!-, dass diese Jahreszeit schön ist, romantisch, mit ihrem kalten Hauch, ihren übereisten Blumen, der sanft in Schnee gehüllten Landschaft und dem stillen Licht der Sonne, das für wenige Stunden über das nahe Gebirge blinzelt.
Papperlapapp! Wie im Kleinen, so im Großen. Was ist an verreiften Hagebutten romantisch? Es ist doch nur Gestrüpp, das sich kurzzeitig in neuem Outfit präsentiert! Letztendlich ist es wirklich nur unangenehmes Buschwerk, sprich, heilloses Durcheinander, so wie wir es allmorgendlich auf den Straßen erleben, wenn Autofahrer aufgrund ihres Restalkohols vielleicht oder psychischer Defekte fahren, als sei erhöhte Geschwindigkeit die einzige Möglichkeit den schwierigen Straßenverhältnissen zu entkommen oder sich verhalten, als ob alle anderen Verkehrsteilnehmer stünden, als habe sie die Nacht eingefroren, um darauf zu warten, dass ein treuer Bernhardiner sie wieder ins Leben leckt.
Kälte hin und her, aber wir sollten nicht übertreiben und unsere Sehnsucht nach Romantik im Rahmen erhöhter Heizkosten und erweiterter Unfallgefahr stillen!Die Rechnung zahlt letztendlich auch der verstiegende Sonnenuntergangmit JamesLastmusikliebhaber.

Östliche Weisheit: Zähnespucken

Wenn du einen einzelnen Zahn ausspuckst, dann spucke einen zweiten hinterher, dass dein Feind nicht denke, du seist ein zahnloses Männlein oder Weiblein.

Metaphern helfen nicht immer

Manchmal fehlen einem die passenden Wörter und Worte, und dann greift man zu einem bildhaften Ausdruck, der Metapher, die dem Zuhörer erklären soll, wie es einem geht oder welche Empfindungen man selbst hat, wenn zum Beispiel ein Ziegelstein vom Dach fällt und uns knapp vor die Füße. "Das war knapp", reicht da nicht immer, da muss man schon nachlegen, etwa: "Ich fühl mich wie ein Kitz, das gerade dem Mähdrescher entgangen ist!" Der Zuhörer runzelt die Stirn und wendet ein: "Du wiegst 101 kg, da kannst du doch nicht von einem Kitz reden!" "Ja, wenn ich mich aber so fühle", erwiderst du und machst große Augen, so wie es Rehjunge tun, wenn die Mutter mal eben auf einen Sprung in den Wald ist, und es allein im Getreidefeld hockt, während im Hintergrund das monotones Brummen und Rattern des Mähungeheuers zu hören ist. "Da haste aber mal wieder Glück gehabt!", entspannt der Kritiker die Situation, weil er nichts schlimmer findet, als wenn 101 kg-Männer den Blick eines einsamen Kitzes imitieren.
"Ich fühl mich wie eine Stahlstange im Zaun bei eisiger Kälte!", ist der nächste Versuch. "Was hat das denn mit heruntergefallenen Dachpfannen zu tun?", fragt dein Begleiter. "Ziegelstein. Das war ein Ziegelstein!", korrigierst du diesmal. "Ja eben, was hat das mit Ziegelsteinen zu tun?", hakt der andere nach. "Du hast eben keinen Sinn für Gefühle! Das nennt man Empathie, wenn man sich in einen anderen Menschen hineinempfinden kann", versuchst du das Gespräch in richtige Bahnen zu lenken. "Du bist dumm wie Brot", schlägt der andere knallhart zurück. Das hat gesessen. Du bist still. Volltreffer. Versenkt. Metaphern - manchmal helfen sie nicht. Aber dann! Bumm!Wie eine Urgewalt. Wie ein Tsunami in lauer Januarnacht. Wie ein Kanonenschlag im Stuhlkreis.
Vielleicht solltest du abnehmen. Jetzt zum Frühjahr wäre eine gute Gelegenheit.

Staatlich geförderte Einsamkeit

Zwei kalte Sitzschalen aus Metall, auf zwei Meter Abstand an einen Querholm geschraubt, ohne Rückenlehne, ohne Armlehne: Das mag man für Kunst halten. "Das ist doch keine Kunst!", schreit Pit und hat vielleicht Recht. Aber, wie bereits Filzhutträger Beuys wusste: Jeder kann ein Künstler sein, und wenn man mal eben ein paar Rückenlehnen abbricht und drei Sitze im Zwischenraum demontiert, dann ist das Sachbeschädigung oder Kunst, je nach dem, wer das Ganze betrachtet, oder wer sich darüber aufregt und Anzeige erstattet. Wahrscheinlich wird man es von behördlicher Seite gerne als Kunst nehmen wollen, denn dann müsste der Schaden nicht repariert werden, sondern sollte die Leute zum Nachdenken motivieren. Der Staat spart Geld, und das Volk, das müden Fußes vorbeitrottet, ärgert sich über fehlende Ruhesitze und denkt nach, warum das so ist, oder, was es zu bedeuten hat, wenn zwei Metallschalen, auf denen vielleicht schon Leute sitzen, so weit auseinanderstehen?
Was mag die Installation ausdrücken? Das liegt doch auf der Hand, wodurch die Behauptung, es handele sich um Kunst, in Frage gestellt wird. Was soll Kunst, wenn sie jeder sofort versteht? Trotzdem: Die Vereinsamung des Menschen wird dargestellt. Da sitzt möglicherweise noch nicht mal jemand, und wenn schon nicht, dann sogar zwei Meter von einem möglichen Sitzpartner entfernt! Das ist doch verschroben! Leute ohne Rückgrad können hier sitzen, denn die Rückenlehnen fehlen, die sie nicht brauchen, weil sie als Klumpen Mensch zusammengekauert der Zukunft harren. Bitterböse, aber durchschaubar. Das ist keine Kunst. Das ist einfacher Sachschaden. Das muss man reparieren. Der Staat will Geld sparen und fördert indirekt die Vereinsamung der Menschen, fördert die Einsamkeit, die verhindert in die Rebellion zu gehen, in die Solidarität, ja sogar verhindert, in die Mitmenschlichkeit zu gehen, weil er die Sache beschädigt lässt. Ach, wenn es doch wie früher sein könnte, als jeder sagen durfte: Der Staat bin ich! Dann wäre einiges anders.

Pelztiere unterwegs

Die Artgenossen schlafen in ihren Höhlen oder sind Richtung Süden gewandert, um an den Touristik-Küsten Nahrung zu finden; währenddessen spazieren Fuchs, Zobel oder Bisamratte, in Gruppen zusammengenäht und gealterten, weiblichen Menschen um den erschlaffenden Körper gehängt, durch die kalte Winterluft.
Mancher Kunstpelz- oder Goretexträger greift kurz in Richtung Glock oder Luger, um sich seiner Sicherheit zu vergewissern, denn der Anblick pelzbehängter Damen, denen ihr ideenloser Gatte eine makabre Freude machen wollte, löst archaische Reaktionen aus. Adrenalin wird ruckartig ausgeschüttet, weil sich der PETA-Freund einem wilden Pelztier ausgesetzt fühlt, das in jedem Moment seine scharfen Eckzähne in Kehle oder Genick schlagen wird. Ein Blick auf das schlecht gestraffte und ungeschickt überschminkte Gesicht signalisiert Entwarnung. Die Tiere sind längst tot, vielleicht vergast oder erschlagen, und 12 tote Silberfüchse machen noch keinen Grizzly. Da heißt es sich entspannen und die Hände weg vom Schießgerät halten. Manchem krampft sich jedoch die Hand um den Kugelspender, wenn er diese Gedankenlosigkeit auf Beinen ins Outback wanken und damit förmlich um ein waidmännisches Ende flehen sieht.

Tote Schuhe - Erhöhte Selbstmordrate

Cuxhaven(bpd). Bereits zum zweiten Mal entdeckten Passanten ein paar Schuhe, das sich stranguliert und seinem Dasein ein Ende bereitet hatte. In Döse, einem Stadtteil der Weltschifffahrtsstadt Cuxhaven, welcher auf den ersten Blick verschlafen wirkt, alarmierten aufgeweckte Urlauber, die den Blick nicht nur auf die eigenen Füße heften, sondern auch nach oben schauen, dieses Paar Asics-Joggingschuhe in Größe 44, das an einer Eibe hing, einem Mahnmal der Vergänglichkeit gleich. Beatmungsversuche scheiterten am intensiven Schweißaroma, das die Laufwerkzeuge ausströmten und die Rettungswilligne abhielt, tief durchzuatmen. Möglicherweise hat die Tat mit den sinkenden Absatzzahlen im Sportschuhsegment zu tun, was hier wohl gründlich missverstanden worden sein muss, denn mangelnde Kaufkraft bedeutet doch, dass Schuhe länger getragen werden, auch wenn der Geruch in die Nase steigt. Gerade im Joggingvereich kann man dem ja weglaufen, was einen weiteren Motivationsschub bedeuten könnte.
Bislang ist die sensible Psyche der Turnschuhe noch unerforscht, sodass es auch in Zukunft schwierig sein wird, wirklich zu helfen.
Siehe auch 22.12.08

Küchengespräche

Matze: Hat dir schon mal einer gesagt, dass du aussiehst wie eine Spülbürste?
Benno: Unter anderen Umständen würde ich das als Beleidigung ansehen.
Matze: Bist du schwanger?
Benno: Auf keinen Fall. Gott verhüte!
Matze: Behüte!
Benno: Sehr lustig.
Matze: Widerbürstig nennt man sowas.
Benno: Borstig. Widerborstig.
Matze: Aha, ein Klugscheißer.
Benno: Nur weil du nicht richtig Deutsch kannst, bin ich noch lange kein Klugscheißer.
Matze: Kann ich wohl.
Benno: Dann sag doch was!
Matze: Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du aussiehst wie eine Spülbürste?
Benno: Grammatikalisch in Ordnung. Das war's aber auch.
Matze: Reicht doch.
Benno: Find ich läppisch.
Matze: Das war jetzt unter die Gürtellinie.
Benno: Hast doch gar keine.
Matze: Eben drum.

Geheimnisvolle Lichterscheinungen über der Nordsee

Cuxhaven(bpd). Kurz vor dem Jahreswechsel zeigten sich Lichtphänomene über der Nordsee in Höhe von Cuxhaven. Der Frachter Sebastian, der unter chinesischer Flagge fährt und deren Leichtmatrose ein Deutscher ist, konnte von merkwürdigen Gebilden um die Morgenzeit berichten. Selbst wenn die Besatzung am Abend vorher einige Container geleert haben könnte, seien die Erscheinungen so eindrucksvoll gewesen, dass die Besatzung sich nicht aus den Kojen gewagt habe, in denen sie sich nach dem Frühstück und einem Deckbummel geflüchtet hatte, berichtete der Kapitän in gestenreichem, gebrochenem Englisch. "Unheimlich, total unheimlich", bestätigte Leichtmatrose Jan, "irgendwie krass." Die restliche Mannschaft nickte den Ausführungen des Deutschen zu und den erschreckten Gestalten sah man an, dass hier etwas ganz Großes im Gange gewesen sein musste. Die Lichterscheinung habe die Form von Küchenfliesen und einer Neonlampe, wie sie über Spülen oder Herdplatten benutzt wird, gehabt. Außerdem sei auch noch der Umriss einer dunklen Gestalt denkbar gewesen, wenn nicht die rechte Schulter aus offenenem Meer bestanden hätte.
Das Bundesminsiterium für unwahrscheinliche Dinge rätselt, was denn Küchenfliesen auf dem offenen Meer zu suchen hätten und woher das Ding wohl stamme. Alle befragten Baumärkte konnten nur negative Auskünfte geben. Die letzte Lichterscheinung war zwei Tage vorher sichtbar geworden, als eine hässliche Küchenlampe an der selben Stelle entdeckt worden war. Amateurfotografen hätten davon ein Bild gemacht, das aber gegenwärtig noch ausgewertet werde und der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung stehe, so das Minsiterium.
Der Frachter "Sebastian" setzte seine Fahrt, nachdem sich alle von dem Schreck erholt hatten, Richtung Hamburg fort, um sich dort "einen auf die Lampe zu gießen", wie Leichtmatrose Jan es ausdrückte.

"Weiser Mann" Olli Dallilahmer: Sei wie der Zweig...

...auf dünnem Eis. Der Sturm der Hektik, des Alltags, des Aufbegehrens und der Resignation, der Gehaltserhöhungswünsche und der inneren Schreie gegen den Liebesentzug, den du immer wieder erleidest, hat dich heruntergerissen vom Baum, hat dich deiner Heimat entrissen, hat dich hingeschleudert und an den Boden gezwungen. Du bist ganz unten und du spürst es. Du siehst unter dich und schaust in das Wasser des Lebens, das dir genauso den Tod bringen kann. Endlich kannst du den Dingen auf den GRUND gehen, und bist dabei selbst ohne Grund, ohne festen Boden, du schwebst förmlich in der Mitte zwischen Nass und Trockenem, zwischen Fliegen und Schwimmen. Nichts ist, was du wirklich willst, du kannst dich nicht entscheiden, denn die Entscheidung wurde dir abgenommen. Du liegst auf dünnem Eis, auf einer temporären Begründung deiner Existenz, einer, die vergeht, die morgen schon weg sein kann. Du musst die Zeit nutzen; du weißt nicht, wieviel dir bleibt, sodass du sofort beginnen musst.

Ruhen. An nichts denken. Sein. Wahrnehmen. Atmen. Bewegungslos, denn der Weg wird zu dir kommen. Die Menschen ziehen vorbei und werden bedeutungslos. Die Themen des Tages - bedeutungslos. Du hast keinen Kaffee mehr im Haus, bedeutungslos. Du hast vergessen, Wilma anzurufen und ihr noch einmal deutlich zu sagen, was für einen beschissenen und kleinkarierten Ehemann sie hat, der nicht mal bereit ist, einem engen Verwandten zwei lächerliche Tausender zu leihen, sondern sich vielmehr über ihn lustig macht, beutungslos. Alles ist gleichgültig. Sein. Nur sein. Nur du sein. Warten. Atmen.



Ein leichtes Knacken. Ein zweites Knacken, nicht mehr ganz so leicht. Vielleicht wird es Zeit zu gehen, vor allem wenn du nicht schon wieder nass werden willst und hinterher der begossene Pudel sein willst. Ruhig bleiben. Keine hektischen Bewegungen, denk an den Pudel!

Gut, das hat noch nicht geklappt. Jetzt nicht panisch herumplanschen! Kräftige, ruhige Züge, dann an Land gehen und in Bewegung bleiben. Warm halten, wo sind die trockenen Sachen? Das war doch vereinbart, dass jeder eine trockene Garnitur Kleidung dabei hat, begossener Pudel, ist klar, Günter! Günter, kannst du Herbert mal dein Fleeceshirt leihen, Benni, deine Hose? Jaja, ich weiß, er muss das auch lernen, hat er aber noch nicht. Nächstes Mal, ist klar, nächstes Mal. Das wird. Das wird auf jeden Fall. Das weiß ich. Danke, Benni, danke, Günter. Nein, Herbert kann noch nicht selbständig danke sagen. Das wird aber.